[SPD-LPT] Außerordentlicher SPD-Parteitag zur Bildungspolitik im Bochumer RuhrCongress
Gestern fand der außerordentliche Parteitag der SPD in NRW zum Thema Bildung statt.
Geladen wurden die Delegierten und Gäste in den RuhrCongress in Bochum. Oder aber – wie es öfters formuliert wurde – in die Stadt des Bundesliga-Spitzenreiters.
Nur wenige Meter vom RuhrCongress entfernt hatte am Vortag bzw. Vorabend der VfL Bochum gegen den Hamburger Sportverein (HSV) mehr oder weniger überraschend gewonnen und somit zumindestens bis zum Samstag den ersten Platz in der ersten Bundesliga-Tabelle erringen können.
A propos Platz: Rund um den RuhrCongress hatte die SPD großflächig plakatiert (die einzelnen Motive tauchen hier in diesem Beitrag auf) und war somit wohl diesmal schneller als die CDU. Es gehört nämlich zu den beliebten Spielchen von konkurrierenden Parteien, dass man sich gegenseitig ein wenig stichelt und so findet man vor dem Parteitag der Partei X oft spezielle „Gegenplakate“ der Partei Y (und umgekehrt). Die CDU hat jedoch wohl zu spät geschaltet und konnte daher nur einen kleinen Transporter mit einem Plakatträger entgegensetzen (siehe u.a. in diesem WDR-Bericht). Dieser Transporter fuhr – schön klimaunfreundlich – seine Runden rund um den RuhrCongress, und vielleicht sollten ja die Abgase die Delegierten auf chemischen Wege erledigen?
In einigen Beiträgen habe ich gestern schon drüber berichtet.
Jetzt ist es Zeit für eine Art Rückblick – und diesmal auch mit aktuellen Bildern! Gestern im RuhrCongress hatte ich nämlich Probleme die gemachten Bilder hochzuladen und mußte daher auf alte Bilder zurückgreifen. Wobei jetzt das obige (auch aktuelle) Bild von Hannelore Kraft aus dem Beitrag Hannelore Kraft greift Schwarz-Gelb an aus dem ParteitagsBlog der WebSozis stammt.
Hauptthema des Parteitages war die Bildungspolitik, was auch schon durch die Themenplakate im Umfeld des RuhrCongresses deutlich gemacht wurde.
Die Landes-SPD unter ihrer Vorsitzenden Hannelore Kraft wollen zukünftig, dass die Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam unterrichtet werden und die frühe Selektion zwischen Hauptschale, Realschule, Gymnasium und (eingeschränkt) der Gesamtschule aufgehoben wird. So sollen mindestens bis zur 6. Klasse alle gemeinsam unterrichtet werden, es soll jedoch auch möglich sein, dass die gesamte Sekundarstufe I (von der 5. bis zur 10. Klasse) in einer gemeinsamen Schulform durchlaufen wird.
Ich persönlich finde es auch sinnvoller, wenn die Selektion erst später beginnt. In Deutschland (und damit auch in Nordrhein-Westfalen) werden noch immens Ressourcen verschwendet. Denn die einzigen Ressourcen auf die man hierzulande noch bauen kann ist das Wissen und es ist durch diverse Studien erwiesen, dass Akademikerkinder viel eher auf höhere Schulen gehen als andere. Insofern ist der SPD-Ansatz einer größeren Durchlässigkeit der verschiedenen Schulformen zu begrüßen. Dies darf jedoch nicht zu einer Nivellierung der Anforderungen nach unten führen.
Doch bevor der Parteitag zu diesem Thema kam, wurden die Grußworte gesprochen und dort hatte sich z.B. Guntram Schneider vom DGB in Nordrhein-Westfalen sehr explizit über die Schulministerin Barbara Sommer von der CDU geäußert:
Er erklärte, dass man – wenn man ihr persönlich begegnet – ihr persönlich gar nicht böse sein kann, dass er es jedoch nicht nachvollziehen kann, dass diese die schulpolitischen Pläne (Gemeinschaftsschule) der SPD in NRW (die der DGB in NRW unterstützt) als unausgegoren bezeichnet, wo doch die CDU in anderen Ländern wie z.B. Hamburg und Schleswig-Holstein selber diese Ziele verfolgt. Dazu seine Äußerung:
„Ich habe manchmal den Eindruck die Schulministerin ist ein unausgegorenes Experiment“
Nach Guntram Schneider sprach Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und ehemaliger SPD-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Als Mitglied der Bundesregierung sprach er natürlich auch vor allem bundespolitische Themen an und bezog sich auf den wirtschaftlichen Aufschwung der durch die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung vorbereitet wurde:
„1 Mio Menschen weniger arbeitslos. Wenn wir [von der SPD] nicht immer einen Hang zum Depressiven hätten, dann würden wir uns darüber freuen.“
Erst nach diesen traditionellen Grußworten richtete Hannelore Kraft sich mit ihrer Rede an die Delegierten und Gäste. Im oben verlinkten WDR-Bericht wurde geschrieben, dass ihre Rede verhalten aufgenommen wurde, ich persönlich hatte jedoch einen anderen Eindruck. Aber das ist natürlich immer subjektiv – ich kann mich dran erinnern, dass bei WDR-Berichten auch schon mal Reden als besonders toll bezeichnet worden sind, die ich vor Ort als eher mittelmäßig beurteilt hatte.
Hannelore Kraft griff in ihrer Rede stark die CDU/FDP-Koalition unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers an und bezog sich dabei vor allem neben der Bildungspolitik („Ganztag statt Samstag!“, „Für Chaos in den Schulen ist Frau Sommer zuständig!“) auch die Privatisierungspolitik der Landesregierung an, wo das Motto von CDU und FDP bekanntlich „Privat vor Staat“ lauten würde, was auf gut deutsch bedeuten würde, dass die Gewinne privatisiert werden, während die Bürgerinnen und Bürger die Verluste zu bezahlen hätten.
Sie bezeichnete die Lage für die SPD in Nordrhein-Westfalen gut und verwies darauf, dass die CDU laut aktuellen Umfragen „nur“ bei 38 % liegen würde und die SPD knapp dahinter – und das obwohl Wirtschaftswachstum und Aufschwung eigentlich eher der Regierung zuspielen würden. Auch die Tatsache, dass CDU/FDP vor dem SPD-Parteitag eine aktuelle Stunde im Landtag zum bildungspolitischen Programm des SPD-Parteitages veranstaltet haben, würde zeigen, wieviel Angst die Regierung vor den Plänen der SPD hat. Diese hätten diese Angst zurecht, denn schon jetzt unterstützen laut Umfragen 40 % der Bevölkerung die Schulpläne der SPD, wobei nur noch 48 % diese ablehnen, obwohl die SPD bis dato keinerlei Informationskampagne dazu gestartet hätte. Äußerst belustigt zeigte sie sich über CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst. Dieser hatte angekündigt, dass er ein sogenanntes „Schwarzbuch“ über die SPD-Schulpolitik herausbringen würde. Hierzu Hannelore Kraft:
„Dem Ministerpräsidenten habe ich gesagt, dass ein Schwarzbuch ein klassisches Oppositionsinstrument ist. Aber sein Generalsekretär soll da ruhig weiter üben, er wird es bald brauchen.“
Zur geplanten Verschiebung der Kommunalwahlen (die Generalsekretäre von CDU/FDP wollen wohl eine geringere Wahlbeteiligung erreichen, da dies mutmaßlich der SPD schadet) erklärte sie, dass das nicht zu tolerieren sei, dass „aus parteitaktischen Gründen […] Geld verschwendet werden [soll].“ Die geschätzten 42 Millionen Euro Mehrkosten könnten die Kreise, Städte und Gemeinden des Landes viel besser nutzen.
Am Ende ihrer Rede blickte sie dann in die Zukunft und erklärte im Hinblick auf den Mai 2010, dem Monat in dem wohl die nächste Landtagswahl stattfinden wird:
„Wir wollen sorgen, dass der [noch amtierende] Ministerpräsident nach dem Mai 2010 viel Zeit haben wird. Ich habe dann auch eine passende Lektüre für ihn: Ich bin dann mal weg von Hape Kerkeling. Dann kann er auch den Jakobsweg gehen und Buße tun.“
Die Chancen hierfür stehen übrigens nicht schlecht – schon jetzt weisen die Umfragezahlen für Rüttgers und seine Regierung keine guten Werte mehr aus und noch gab es nicht die inhaltliche Zuspitzung. Stattdessen gibt es immer mehr Bevölkerungsgruppen im Land, die mit der Landespolitik mehr als unzufrieden sind.
Stichworte sind hier z.B. das geplante KiBiz-Gesetz („KiBiz ist Mumpitz!“), welches die Kindergärten belasten wird, die Einführung von Studiengebühren, die Aufhebung der Grundschulbezirke, das Festhalten an überholten Schulformen, die deutliche Steigerung der Kindergartenbeiträge, unsinnige (da teurer und bürgerunfreundlicher) Verwaltungsreformen Verwaltungsdeformen, die Einschneidungen im Mitbestimmungsrecht usw.
Ich zitiere hier einfach mal aus dem Blogbeitrag Biegen und Brechen von coffeeandtv.de:
„NRW wird seit zwei Jahren von einer schwarz-gelben Landesregierung regiert, die es binnen kürzester Zeit geschafft hat, dass sich die Bevölkerung die zuletzt verhasste rot-grüne Vorgängerregierung zurückwünscht. Wer nach dem Machtwechsel geglaubt hatte, es könne ja eigentlich nur noch besser werden, wurde negativ überrascht. Redet man mit Menschen, die ein bisschen Einblick in das Innere dieser Landesregierung haben, möchte man das Land danach so schnell als möglich verlassen: Vom Ministerialrat bis zum Minister scheinen alle mindestens unfähig (aber wie und wo sollten die in 100 Jahren SPD-Regierung auch Erfahrung sammeln?) und von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers heißt es, er sei selbst zum Vorlesen vorgeschriebener Reden nicht zu gebrauchen.“
Zum Treppenwitz der CDU/FDP-Landesregierung könnte übrigens deren Plan der Umgestaltung des Wahlrechtes werden:
Nicht nur, dass in den Kommunen demnächst Stichwahlen nicht mehr stattfinden sollen (bekanntlich schützt die Bundeswehr im Kongo den Ablauf von Stichwahlen, in NRW sollen sie abgeschafft werden), es soll auch das Landtagswahlrecht geändert werden. Den jüngsten Umfragen zufolge könnte diese Wahlrechtsreform, die vor allem dem Koalitionspartner FDP zugute kommen sollen, dafür sorgen, dass CDU und FDP keine eigene Mehrheit mehr haben… das wiederum wäre sehr amüsant.
Was hält eigentlich die CDU in NRW vom SPD-Landesparteitag in Bochum?…
Der außerordentliche Landesparteitag der SPD Nordrhein-Westfalen zum Thema Bildungspolitik war natürlich auch ein Thema bei der CDU in Nordrhein-Westfalen.
Nicht nur, dass die Christdemokraten vor dem Parteitag eine aktuelle Stunde zum bildun…