Zerfällt das Ruhrgebiet?
Unter der Überschrift Furcht vor dem Moloch berichtet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) heute über einen möglichen Zerfall des Ruhrgebietes (siehe nebenstehendes Bild und auch den Online-Artikel).
Hierzu muß man jedoch anmerken, dass es das Ruhrgebiet an sich eigentlich gar nicht gibt. Jedenfalls gibt es nicht offiziell den Begriff Ruhrgebiet mit klaren Gebietszuweisungen.
Vielerorts wird jedoch das Gebiet des sogenannten Regionalverbands Ruhr (RVR) als Ruhrgebiet bezeichnet. So auch hier im Pottblog – denn im Beitrag Unter die Haube geschaut habe ich das nachfolgend abgebildete Alternativlogo für das Pottblog vorgestellt, welches sich auch an den Grenzen des RVR orientiert.
Doch zurück zum eigentlichen Thema:
Besagter RVR soll demnächst die Planungskompetenz „für sich“ erhalten, was insofern eine Umkehr der bisherigen Strukturen darstellt, als dass bisher drei unterschiedliche Bezirksregierungen für das Ruhrgebiet planerisch tätig waren. Doch jetzt überlegen sich einige „Randgebiete“ im RVR, dass sie nicht mehr zum RVR gehören wollen. So wird teilweise über einen Ausstieg des Kreises Wesel, der Stadt Hagen und Teilen des Kreises Recklinghausen nachgedacht.
Im oben verlinkten WAZ-Artikel von Ulrich Horn und Wolfgang Pott(!), der im übrigen auf einen ausführlicheren Bericht der Print-Ausgabe hinweist (aus der auch die Grafik stammt), heißt es z.B.:
Das Ruhrgebiet habe den Kreis Wesel bisher nur als Randlage behandelt und vernachlässigt, kritisiert Xantens Bürgermeister Christian Strunk. „Die Mitgliedschaft im RVR in Städten wie Xanten behindert uns bei Gewerbeansiedlungen und der Ausweisung von Wohngebieten.“
Bevor also der Gedanke einer einigen Ruhrstadt oder eines „Ruhrtropolis“ verwirklicht werden kann, überlegen sich einige Städte und Kreise, die zumindestens zum Ruhrgebiet im Sinne der RVR-Definition gehören, den RVR und damit das Ruhrgebiet zu verlassen.
Verwunderlich ist dies jedoch nicht – während z.B. eine Stadt wie Recklinghausen im Regierungsbezirk Münster eine bedeutende Stellung hat, wäre sie im Ruhrgebiet nur eine von vielen Städten. Aber sollte dies ein Grund sein, das Ruhrgebiet zu verlassen?
A propos Recklinghausen: Im Kreis Recklinghausen gibt es weitergehende „Abwanderungsgedanken“:
So wird in der Stadt Haltern am See diskutiert, den Kreis Recklinghausen zu verlassen und wieder zum Kreis Coesfeld zurückzukehren. Damit würde Haltern am See de facto wieder zum Münsterland gehören – wie es schon in der Vergangenheit der Fall war (siehe auch diesen Beitrag im Pottblog).
Ich halte von diesen ganzen „ex-RVR-Plänen“ jedoch nicht unbedingt viel und finde daher den Kommentar von Wolfgang Pott zur Diskussion sehr gut, in dem es u.a. heißt:
Das Ruhrgebiet befindet sich mitten auf dem schwierigen aber hoffnungsvollen Weg der Genesung, da mucken plötzlich Politiker im Kreis Wesel und an anderen Randgebieten auf.
[…]
Als es noch Subventionen regnete von EU, Bund und Land, haben sich alle gern bedient, auch solche Ruhrgebietsregionen, die es nicht so nötig hatten. Jetzt will man offenbar woanders abgreifen.
[…]
Doch sollten die Aufmüpfigen im Kreis Wesel, im Kreis Recklinghausen oder in der Stadt Hagen bedenken, dass das Ruhrgebiet noch nie eine homogene Einheit war. Schalke 04 und Borussia Dortmund, Movie World und Opernhaus, polnische und türkische Migranten – gerade das macht diese Region so interessant, so bunt, ja sogar liebenswert. Kohle und Stahl, die industriellen Stützpfeiler des vergangenen Jahrhunderts, waren in einigen Städten gar nicht angesiedelt. Dennoch profitierten fast alle Menschen davon. Pendlerströme der Vergangenheit beweisen das.
[…]
Das Ruhrgebiet ist auf einem guten Weg. Wer jetzt abspringt, verpasst vielleicht eine große Chance und muss sich hinterher vorwerfen lassen, mitten im Aufschwung gekniffen zu haben.
Insofern hoffe ich auch, dass die Befürworter einer Ruhrgebietsabspaltung in den entsprechenden Städten und Kreisen keine Mehrheit für ihre Planungen finden.
Was soll ich sagen … der Kreis Recklinghausen schien mir schon immer mehr in Richtung Münsterland orientiert zu sein, weshalb eine Ruhrgebietsstadt wie Castrop-Rauxel (die sich gegen die damalige Eingemeindung in den Kreis RE heftig gewehrt hatte…) vom Kreis recht vernachlässigt wurde.
Trotz vieler Jahren Eingemeindung in den Kreis RE ist C-R nach wie vor nicht nach Recklinghausen als Oberzentrum, sondern nach Bochum und Dortmund ausgerichtet (na gut, auch etwas nach Herne…).
Insofern: Wo muss ich unterschreiben, damit RE sich wieder vollständig auf das Vest/Münsterland konzentrieren kann und Castrop-Rauxel aus dem Kreis RE ausscheidet?
Die Grafik aus der Zeitung ist aber auch ganz toll. Wenn man der Grafik folgt, will auch die Stadt Gelsenkirchen ausscheren (die ist da auch rot markiert), obwohl OB Baranowski im Artikel das genaue Gegenteil sagt. WAZ, setzen, sechs.
@Andreas:
Solche Ausrichtungen werden ja auch von den Bewohnern gemacht und nur weil man nicht mehr CAS sondern RE auf dem Nummernschild hat, heißt es ja nicht, das man sich nicht (wie auch früher schon) gen BO oder DO orientiert, sondern gen RE.
Aber insgesamt gesehen ist der Kreis RE sowieso eine merkwürdige Konstruktion – ich erwähne mal nur Gladbeck als Anhängsel im Westen.
Ich glaube aber nicht, dass der Rest (also ohne CAS) des Kreises RE wirklich eher zum Münsterland passt. Bei Haltern am See ist es was anderes als z.B. bei Recklinghausen selbst.
Wobei es schon witzig wäre, wenn Recklinghausen nicht mehr zum Ruhrgebiet gehören würde, da dann die Ruhrfeststepiele nicht mehr im formellen Ruhrgebiet wären (wie Djure von blog.50hz.de letztens mir ggü. scherzte).
@Jörg:
Ist mir gar nicht aufgefallen, aber bzgl. Gelsenkirchen gab es – ich habe jetzt leider den zweiten Artikel (aus dem die Grafik stammt) nicht parat – auch solche Gedanken. Ich schaue da nachher noch einmal nach.
@Jörg:
So, ich habe mir nochmal den Artikel „Furcht vor dem Moloch“ genauer angeschaut.
Das Gelsenkirchen auftaucht kann man begründen – denn die Vertreter der Stadt Gelsenkirchen haben (wie die Vertreter aus Bottrop und dem Kreis Recklinghausen) sich im Regionalrat Münster einstimmig gegen die Reform, die dem RVR die Planungshoheit (von der Bezirksregierung Münster weg) über das jeweilige Gebiet geben soll, gestimmt.
Insofern ist die Grafik nicht wirklich falsch – vielleicht etwas „überdramatisiert“.
@Jens: Naja… die Ruhrfestspiele (die übrigens nicht Ruhrgebiets-Festspiele heissen) finden in Recklinghausen statt. Eine Stadt die mit der Ruhr ungefähr soviel zu tun hat (nämlich gar nichts) wie Castrop mit dem Rhein. Recklinghausen liegt nicht nicht an der Ruhr, sondern im Kern des Emscher-Lippe Gebietes.
So wie auch der „Kern“ des heutigen Ruhrgebietes eigentlich nicht um die Ruhr herum liegt, sondern um die Emscher, weshalb es korrekter Emschergebiet (der südliche Teil Emscher-Ruhr Gebiet, der nördliche Teil Emscher-Lippe Gebiet) heissen müsste. Deswegen wird die in Ost-West-Richtung mitten durchs Kern-Ruhrgebiet verlaufende Autobahn A42 auch nicht Ruhrschnellweg genannt sondern Emscherschnellweg. (Ruhrschnellweg wird die südlicher, an der Ruhr, verlaufende A40 genannt)
Aber weil die Emscher halt eine stinkende Abwasserkloake war, und davor das Emschergebiet für eine der größten Seuchenregionen Europas (wegen der Emscherüberschwemmungen und des Emscherbruches) stand wollte sich niemand mit der Emscher identifizieren. Das wird sich aber immer mehr ändern, sobald die Emscher vom Abwasser befreit und zum schönen Flüsschen Re-Naturiert wird.
Dann wird man vielleicht in 30-100 Jahren zum Kern des Ruhrgebietes korrekterweise auch wieder Emschergebiet sagen.
@Andreas:
Glaubst Du wirklich, das man hier in Zukunft vom Emschergebiet sprechen wird? Ich denke eher nicht, da ja die Marke „Ruhrgebiet“ (nicht Ruhr.2010 *g*) schon sehr bekannt und gebräuchlich ist.
@Jens: Das „Ruhrgebiet“ als Name gibt es ja noch gar nicht so lange, auch deshalb kann man doch auch heute immer noch nicht genau sagen, wo seine unstrittigen räumlichen Grenzen nun wirklich sind.
Mit dem Ruhr-Bergbau (der an bzw. südlich der Ruhr began), und der aufgrund der immer tiefer erschlossenen Kohlevorkommen immer weiter nördlich zog, dehnte sich auch das vermeintliche Ruhrgebiet immer weiter nördlich aus. So weit, dass es heute Bereiche bezeichnet, die eben nicht mehr zum Gebiet des Flusses Ruhr zählen.
Der namensgebende Einfluss des Bergbaus verschwindet auch mit der prägenden Erinnerung an den Bergbau, und die tatsächlichen geographischen Gegebenheiten (Emscher z.B.) bekommen wieder stärkere namensgebende Bedeutung.
Vermutlich noch nicht in 10 Jahren. In 100 Jahren aber ganz bestimmt. Wir werden sehen :-)
@Andreas:
Werden wir? ;)
Ist die Zeitmaschine in Planung?
@Jens. An Zeitreise dachte ich zwar nicht, aber es stimmt, da gabs doch auch schon was von INS. Habe vor Jahren mal den „Flux Enhanced Firewall“ entwickelt. Der enthielt sogar schon nen kleinen Kompensator. Und ja, eine Web 2.0 Zeitmaschine (warpr.de) ist vielleicht in Planung. :)
Ansonsten sind 100 Jahre ja nicht so lang. Sollte zu schaffen sein, wenn man sich nur richtig Mühe gibt. ;-)
;)
Okay, legen wir das ganze auf „Wiedervorlage“ in 100 Jahren.
Zerfällt das Ruhrgebiet?
Na Hoffendlich !!!
Wenn Ruhris Anspruch auf den halben Niederrhein haben, so kann der Niederrheiner hoffen, das sich das Ruhrgebiet auflöst.
MfG Raimund Borkes
@Raimund Borkes:
Inwiefern erhebt man Anspruch auf den Niederrhein? In dem z.B. in Xanten diverse Sachen durch Ruhrgebietsmittel finanziert werden?
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