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Jens Matheuszik — 8. März 2007, 17:51 Uhr

„Privat vor Staat“ lohnt sich nicht (immer)


Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unter Innenminister Ingo Wolf von der FDP versucht derzeit den § 107 Gemeindeordnung dahingehend zu ändern, daß in Zukunft städtische Unternehmen sich nicht weiter entwickeln können, um getreu dem Motto „Privat vor Staat“ die Privatwirtschaft zu schützen.

Per se ist meiner Meinung nach es natürlich nicht schlecht wenn die Politik die (Privat)wirtschaft unterstützt. Man darf das jedoch nicht so ideologisch sehen wie es teilweise bei einigen Leuten der Fall ist, denn in manchen Bereichen hat es sich bewährt, wenn der Staat sich darum kümmert.

Klar, Polizei, Finanzverwaltung usw. – das sind Bereiche, da möchte sicherlich jeder, daß der Staat federführend bleibt, doch auch in anderen Branchen kann es meiner Meinung nach nur richtig sein, wenn der Staat die Kontrolle behält.

In NRW soll das jedoch demnächst nicht mehr gehen bzw. stark eingeschränkt werden. Der angekündigte Bestandsschutz sorgt jedoch dafür, daß städtische Unternehmen sich nicht mehr weiter entwickeln können.

Das die ganze Privatisierungswelle von öffentlichen Dienstleistungen sich nicht unbedingt lohnt erkennt jedoch die Politik anscheinend so langsam vor Ort:

So gab es vor einiger Zeit einen Monitor-Bericht Die „orangene Revolution“ – Städte holen die Müllabfuhr von Privaten zurück, der belegt, daß unter Umständen öffentliche Müllabführen günstiger sind als private.

Dort wird davon berichtet, daß z.B. im sächsischen Muldentalkreis die Müllabfuhr privatisiert wurde. Die Beschäftigten der privaten Müllabfuhr bekommen jedoch – aufgrund ihres geringen Lohnes – staatliche Unterstützung und rechnet man das zusammen, fuhr man früher mit der öffentlichen Müllabfuhr günstiger.

In Bergkamen hingegen, wo man die Müllabfuhr wieder als städtische Aufgabe initiierte, sparte man damit sogar Geld:

„Hier im Rat der Stadt Bergkamen rechneten sie das Projekt „Verstaatlichung“ dutzende Male durch. Dann waren sie sich sicher: Wir sparen richtig viel Geld. Hauptgründe: Die Gewinnmargen der privaten Entsorger sind hoch, die Gehälter der Vorstände auch. Für die Müllabfuhr nahm der private Anbieter 1,1 Millionen Euro. Die Stadt selber schafft es für 770 000 Euro. Macht eine Ersparnis von 30 Prozent.“

Für die Bürger ist das natürlich auch von Vorteil: Erweist sich nämlich eine städtische Kalkulation der Müllgebühren als zu hoch, wird die Ersparnis durch eine Senkung an die Bürger weitergegeben. Beim privaten Unternehmen verbleibt dies als zusätzlicher Gewinn. Außerdem bleiben normalerweise bei städtischen Unternehmen die Entlohnungen der Führungsebenen im Rahmen (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Dieses Engagement soll den Städten und Kreisen in Nordrhein-Westfalen demnächst verboten werden bzw. das ganze soll eingeschränkt werden – kein Wunder, daß da gestern bei schlechtem Wetter über 25.000 Leute in Düsseldorf gegen die Pläne der CDU-/FDP-Landesregierung demonstriert haben.


6 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von 50hz @ 9. März 2007, 09:05 Uhr

    Du schiltst mich einen Ideologen? Das kann ich auch ;-) Die Ideologen sitzen nämlich in den Besatzungen der Rathäuser. Wobei: Richtige Ideologen sind es eigentlich weniger! Eher habgierige Zweckideologen. Die fürchten nämlich um ihre Pfründe als spätere Geschäftsführer und Aufsichtsräte in stadteigenen Gesellschaften.
    Aber zurück auf die Sachebene: Mir ist keine Kommune bekannt, die wirklich konsequent alle ihre Betriebe verkauft oder aufgelöst hätte. Ausschreibungen gibt es nur meist dort, wo dazu ein gesetzlicher Zwang besteht. Das manche Stadt damit auf die Nase gefallen ist, sollte man nicht unbedingt dem System in die Schuhe schieben. Vielleicht war es auch schlicht Unfähigkeit richtig auszuschreiben oder gar der Mutwille zum Beweis, dass es nicht geht.
    Jetzt nach wenigen Jahren des halbgaren Ausprobierens das Ruder wieder herumzureißen, ist defintiv zu früh. Aus meiner Sicht überwiegen die Argumente, sich konsequent aus jeder wirtschaftlichen Betätigung zurückzuziehen.
    Wenn die Städte jetzt jammern, ihre Stadtwerke hätten Dank Wolf keine Zukunft mehr, ist das erst recht Anlass sie endlich zu verkaufen.
    Und komme mir keiner mit Marktmacht. Sind es nicht gerade die kommunalen Eigentümer bei der RWE, die eine Trennung von Produktion und Netz behindern?
    Marktmacht ist kein Argument für die wirtschaftliche Betätigung des Staates. Sie ist ein Argument für aktive Wettbewerbspolitik.


  2. (2) Kommentar von Jens @ 9. März 2007, 16:26 Uhr

    @50hz:
    Direkt Dich meinte ich nicht, aber ich finde es besser, wenn elementare Bereiche der Daseinsvorsorge öffentlich kontrolliert werden und damit eher am Gemeinwohl orientieren als am Aktionärswohl.

    Natürlich muß man dabei jedoch darauf achten, daß z.B. Stadtwerke nicht zu Versorgungswerken für ausgediente Politiker werden.


  3. (3) Kommentar von Max @ 26. März 2007, 09:21 Uhr

    Auch private Unternehmen haben Vorstände oder Aufsichtsräte, die Positionen werden nicht mit leeren Säcken besetzt!
    Davon abgesehen, dass kommunale nach betriebeswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführte Unternehmen notwenig sind, so ist die Aufgabe der Geschäftsfelder mit dem Verkauf von Tafelsilber zu vergleichen.


  4. (4) Kommentar von Jens @ 26. März 2007, 15:37 Uhr

    @Max:
    Klar, da würde ich auch nicht das Gegenteil von behaupten – nur sind zumeist die Vergütungen bei solchen kommunalen Unternehmen geringer als bei privaten Gesellschaften. Am Beispiel der Müllgebühren wird es aber auch ganz deutlich, warum hier der Staat eigentlich besser für die Bevölkerung ist:
    Erzielt ein städtisches Entsorgungsunternehmen Gewinne sind diese den Bürgern zurückzuführen – in Form von gesenkten Müllgebühren. Das das jetzt gerne vor Wahlkampfzeiten geschieht, geschenkt. Aber es passiert halt.

    Während ein privater Entsorger die Ãœberschüsse für sich selber einfährt – und nicht für das Gemeinwohl. Außer Du setzt irgendwelche Fondsgesellschaften und Anteilseigner mit dem Gemeinwohl gleich.

    Der Vergleich mit dem Tafelsilber ist meiner Meinung nach nicht ganz zutreffend – eher mit rostigem Besteck sollte man das vergleichen, denn die Städte kämen ja dann in eine Situation, die nicht gut für einen möglichst hohen Verkaufspreis ist.


  5. (5) Kommentar von 50hz @ 27. März 2007, 13:27 Uhr

    Dir ist schon bekannt, dass städtische Rechenkünstler die Müllgebühren auf jede erdenkliche Weise hochzurechnen versuchen? Regelmäßig müssen Gerichte bemüht werden, um dem Einhalt zu gebieten.
    Ein ehrlicher Marktpreis ist mir da allemal lieber.


  6. (6) Kommentar von Jens @ 27. März 2007, 20:33 Uhr

    @50hz:
    Also da wo ich mich bzgl. der Berechnungen auskenne, passiert das nicht.

    Und ehrliche Marktpreise sind nicht die Preise, die ein privates Unternehmen in Rechnung stellt unter der Prämisse, daß es selbst Kosten von X hat und nachher erweist es sich, daß es Kosten von X-10% sind.

    Und der elementare Unterschied ist auch noch der, daß wenn man bei städtischen Unternehmen wirklich einen geringeren Preis nachgewiesen hat dieser dann auch berücksichtigt wird. Beim privaten Entsorger nicht.


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