Not very handy – die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) beendet den Beta-Test von WAZ mobi
Schon Ende Juli 2006 berichtete ich, daß die WAZ modern wird und Beta-Tester für WAZ mobi sucht. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) ermöglicht mit WAZ mobi oder genauer „WAZ mobi – die kleine Zeitung fürs Handy“ es auf seinem Handy WAZ-Schlagzeilen zu lesen. Genaueres findet sich auf der offiziellen WAZ-Seite dazu.
Vor ein paar Tagen erreichte mich die eMail, daß der Beta-Test jetzt eingestellt wurde – und mir fiel auf, daß ich hier im Pottblog gar nicht weiter darüber berichtet hatte, obwohl ich damals sogar deswegen bei der WAZ angefragt hatte.
Daher dann jetzt mein Resümee dazu: Man kann es auf den Nenner „Nette Idee, aber schlecht umgesetzt“ bringen. Die „Langfassung“ des Nenners folgt jetzt:
Wie kommt die WAZ auf das Handy?
Man muß eines der unterstützten Handy-Modelle besitzen (bei mir das Nokia 6670) und vom Handy aus ein Kennwort an eine bestimmte Nummer als SMS schicken. Dann erhält man den Download-Link um das verwendete Programm Mobizines herunterzuladen. Nachdem man dieses Programm heruntergeladen hat, kann man es auf dem Handy starten und sich dort dann die aktuelle Ausgabe herunterladen…
… man sollte aber Zeit mitbringen …
Das einmalige Herunterladen von Mobizines kann – das hängt von der Verbindungsqualität ab – kann bis zu fünf Minuten dauern, das eigentliche Herunterladen der Nachrichten sollte schneller gehen. Sollte.
In der Realität sieht das leider anders aus. Wenn man das Programm Mobizines startet (das übrigens ein fisseliges, nicht wieder zu erkennendes Programmsymbol hat – aber auch daran kann man es erkennen: alle anderen Programme haben vernünftige Symbole, nur eines nicht: das muß dann Mobizines sein), dann öffnet sich das Programmfenster nach ca. 5 Sekunden.
Hier ist die WAZ schon voreingestellt, man kann jedoch weitere Zeitungen (z.B. die HAZ) auswählen. Wählt man dann die WAZ an, dann taucht die Startseite der mobilen WAZ auf. Unter dem WAZ-Logo findet man dann etwas, was man schon seit Jahren nicht mehr im Internet gesehen hat:
Einen Laufband-Ticker im besten Marquee-Stil (war mal vor ca. 10 Jahren aktuell). Dieser Laufbandticker klaut auf dem begrenzten Handydisplay nur Platz und ist dabei noch so langsam, daß man jeden Buchstaben einzeln begrüßen kann.
Am Rande – ein kleines Marquee-Beispiel:
Unter dem platzverschwendenden Ticker hat man dann drei Optionen: Entweder man liest die aktuellen Nachrichten, man empfiehlt die mobile WAZ oder aber man aktualisiert die Meldungen der mobilen WAZ.
Bei meinen Tests stürzte hier das Handy einige Male ab – egal was man machte, es passierte nichts. Außer daß halt der Ticker mit dem sagenhaften Text (+++ Das M-Paper der WAZ +++) lief bzw. in manchen Fällen – wie das gesamte Programm – stehenblieb. Leider hat mein Handy keine Art „Task Manager“, so daß man das Programm in einem solchen Fall nicht beenden kann. Stattdessen muß man das Handy aus- und wieder einschalten.
Ruft man direkt nach so einem Absturz wieder das Menü auf, klappt es meistens mit den Eingaben. Jedoch muß man damit leben, daß die Verzögerung unverhältnismäßig groß ist. Es dauert zwar nur ungefähr eine Sekunde, bis man von einem Menüpunkt auf den anderen wechseln kann, dennoch ist das – im Gegensatz zu den normalen Handy-Menüs – sehr sehr langsam. Insofern ist die Aufteilung des Menüs auch nicht sinnvoll, denn häufiger als die zweite Option (WAZmobi empfehlen) wird man wohl die dritte Option (Aktualisierung) auswählen.
Die eigentlichen Nachrichten
Die eigentlichen Nachrichten sind in vier Ressorts aufgeteilt: News, Sport, Region und Service. In jedem Ressort finden sich fünf Nachrichten, die mit einem kurzen Text und einem recht großen (relativ – es ist ja ein Handy-Display) Bild angeteasert angekündigt werden. Dadrunter findet sich eine Werbung – zumeist für die WAZ selbst oder aber eine Internet-Seite, die etwas mit der WAZ zu tun hat (z.B. immowelt.de).
Klickt man auf eine der Nachrichten kann man einen doch teilweise recht ausführlichen Text zur jeweiligen Nachricht lesen. Leider scrollt es sich hier recht behäbig.
Von den jeweiligen Nachrichten bzw. Werbungen aus kann man bestimmte Aktionen ausführen: So kann man via SMS seine Meinung zu einer Nachricht angeben (wer liest das eigentlich?), das ganze weiter empfehlen oder aber (z.B. bei der Werbung für ein WAZ-Abo) via SMS für 0,49 Euro um einen Rückruf bitten, um sich das Abonnement zu bestellen.
Aktualisierung
Um neue Nachrichten auf das Handy zu bringen muß man den Menüpunkt „Aktualisieren“ auswählen. Danach folgen dann noch weitere Bestätigungsfragen (zwei bei mir und noch eine Auswahl bzgl. der Internet-Verbindung) und ein großes Aktualisierungssymbol (Kreis mit zwei aufeinander zeigenden Pfeilen) erscheint mitsamt eines Fortschrittsbalken. Manchmal klappt das dann mit der Aktualisierung, manchmal jedoch leider nicht. So wie jetzt gerade, denn leider tendiert Mobizines in manchen Situationen bei der Aktualisierung zum Absturz:
Der Fortschrittsbalken bleibt bei gut 80 % einfach stehen und es passiert: nichts. Auch der Versuch die „Abbrechen“-Funktion zu verwenden ist in diesem Fall leider folgenlos.
Erst dachte ich, es würde ggf. an meinem Handy liegen – nach dem Motto: Da ist zu wenig Speicher frei, doch auch nachdem ich z.B. einige MP3-Lieder und kurze Videoclips (was man so von Kollegen via Bluetooth erhält…) gelöscht hatte, und dadurch den Speicher um einige Megabytes entlastete, kam es danach zum gleichen Fehler. Da man das Programm nicht manuell über das Betriebssystem abbrechen kann, muß man in diesem Fall das Handy aus- und wieder einschalten, wenn man es wieder nutzen möchte.
Wenigstens – so behauptet es jedenfalls mein Handy in der Verbindungsstatistik – werden auch keine weiteren Daten kostenpflichtig abgerufen, wobei jedoch das GPRS-Logo dennoch eine andauernde Verbindung anzeigt.
Technische Unzulänglichkeiten
Die technischen Unzulänglichkeiten habe ich schon zum Teil oben geschildert, leider gibt es kaum aussagekräftige Fehlermeldungen, die einem hier weiterhelfen. Programme sollten meiner Meinung nach irgendwelche Fehlermeldungen ausgeben, wenn irgendwas nicht klappt, anstatt einfach stehenzubleiben, wie es bei Mobizines leider viel zu oft der Fall ist.
Manchmal kommt übrigens beim Blättern in den Nachrichten folgende Fehlermeldung java.lang.OutOfMemoryError (und das obwohl das Handy genügend freien Speicher hat). Bestätigt man die Fehlermeldung kommt gleich die nächste Fehlermeldung und das Programm schließt sich von selbst. Immer noch besser, als wenn es abstürzt ohne sich selbst zu beenden…
Doch selbst wenn das ganze ohne technische Probleme funktioniert, dauert das alles recht langsam. Die Wartezeit, wenn man z.B. in einer Nachricht „blättert“ bzw. scrollt, ist meiner Meinung nach kaum zu ertragen und erinnert mich eher an antike Speichermedien wie die Datasette als an im 21. Jahrhundert einzusetzende Technik.
Konzeptuelle Unzulänglichkeiten
Doch selbst wenn die Technik einwandfrei mitspielen würde – ich halte von dem Konzept nicht viel.
So wird die mobile WAZ-Ausgabe jeden Tag um ca. 16.30 Uhr aktualisiert. Das entspricht nicht wirklich meinem Zeitungsverständnis. Für mich bedeutet das Lesen der Zeitung, daß ich morgens – am besten beim Frühstück – die Tageszeitung(en) meiner Wahl lese. Es gibt für mich nichts öderes als eine Tageszeitung erst nachmittags zu lesen. Wenn ich mich dann informieren will, dann nutze ich andere Medien – ob nun Radio, Fernsehen oder das Internet. Hier liegt ja der Vorteil der morgendlich früh zugestellten Tageszeitung: Zwischen Bad und Corn Flakes habe ich keine Lust z.B. meinen Rechner hochzufahren, um mir die relevanten Nachrichtenseiten im Internet anzuschauen.
Würde ich jedoch morgens – z.B. auf dem Weg zur Arbeit – die mobile WAZ lesen wollen, dann hätte ich immer noch die vom Vortag. Aber was interessiert mich am Morgen, was gestern nachmittag aktuell war?
Die Idee die hinter der mobilen WAZ steckt ist zwar nicht unbedingt als schlecht zu bezeichnen, doch erinnert mich das ganze zu sehr an Ephraim Kishon:
„Der Kommunismus ist eine großartige Theorie. Das Unglück bestand darin, dass er sich verwirklichen ließ.“
Anders ausgedrückt: Die Idee die Tageszeitung aufs Handy zu bringen ist gut. Aber in dieser Form leider nur schlecht.
Warum muß man das ganze über ein bugbehaftetes, langsames Programm regeln, wenn man doch die Handy-Nutzer mit SMS oder MMS einfach erreichen kann? Ich kann z.B. nicht nachvollziehen, daß das Programm Mobizines, was ja nur für das Lesen der mobilen Zeitung gedacht ist, bei weitem langsamer ist als z.B. mein Internet-Browser auf dem Handy. Da kann ich deutlich schneller auf den Seiten scrollen und agieren als mit dem reinen Zeitungsleseprogramm – und dabei bietet mir der Browser auch noch diverse andere Möglichkeiten, ist also viel vielseitiger als Mobizines.
Ein Vorteil ist es jedoch, daß man die Nachrichten nur einmal laden muß und dann auch offline lesen kann – das ist aber so ziemlich das einzig positive, was mir dabei einfällt.
Fazit
Ich kann WAZ Mobi nicht wirklich empfehlen, eher möchte ich davon abraten. Auf der offiziellen Seite heißt es:
Während des Beta-Tests ist das m-Paper der WAZ kostenlos! Es fallen momentan ausschließlich die Kosten für die Datenübertragung bei Ihrem Netzbetreiber an.
Anders ausgedrückt: Die wollen auch noch (später) Geld dafür! Selbst als „Umsonst-Angebot“ (bis auf den Datentransfer) halte ich von der mobilen WAZ nicht viel. Dafür Geld ausgeben würde ich nie. Da surfe ich dann lieber gleich direkt mit dem Handybrowser zu den Seiten die mich interessieren. Ich kann mir auch kaum vorstellen, daß dafür jemand Geld ausgeben wird – denn wenn ich den Datentransfer ja eh bezahle, dann kann ich auch gleich zu den Netzangeboten wechseln, wo ich weiß, was mich (bugfrei) erwartet.
Ich persönlich würde der WAZ eher anraten auf eine für Mobilgeräte angepasste Variante von www.waz.de und/oder auf Nachrichten via SMS/MMS zu setzen.
Was würde z.B. dagegen sprechen, daß die WAZ-Abonnenten über wichtige Neuigkeiten ganz aktuell via SMS informiert werden? Wenn dann z.B. am Wochenende irgendwo eine Fabrik in Dortmund brennt, könnte die WAZ mal eben schnell folgende SMS an ihre Abonnenten verschicken:
„WAZ: Auf dem Gelände der XYZxyz AG im Dortmunder Süden ist es zu einem Brand gekommen. Es droht keine Gefahr, die Feuerwehr ist unterwegs. Mehr auf www.waz.de“
Passt in eine SMS, ist leicht zu versenden und vor allem zu empfangen und man muß keine großartigen Spirenzchen anstellen um die Nachricht überhaupt erstmal lesen zu können: Direkt mit einem Click ist man dabei und muß sich nicht erst durch diverse Menüs und Bestätigungsabfragen hangeln.
Ich behaupte ich bin ein technikaffiner Mensch. Als solcher habe ich nichts gegen technische Spielereien – aber das was die WAZ hier mit Mobizines auf den Markt gebracht hat, zeigt meiner Meinung nach, wie man es nicht machen sollte.
Zur Not könnte man ja für waz.de auch einfach eine mobile Variante einrichten, die man mit dem Handybrowser ohne Probleme erreichen kann. Es ist zwar konzeptionell – zum Beispiel gegenüber WAP-Seiten – ein Vorteil bei Mobizines, daß man die Nachrichten nur einmal lädt und dann auch offline lesen kann, aber dieser Vorteil steht zu vielen Nachteilen gegenüber.
Insofern: Not very handy – die mobile WAZ.
hallo,
ich hab deinen bericht gelesen, bei uns in hamburg gibt es einen andern mobilen dienst vom hamburger abendblatt, den ich inzwischen oft nutze
einfach die 0800 0404400 anrufen und den startlink schicken lassen, geht ratzfatz und bei den leuten die ich kenn ist ebenso wie bei mir noch nichts abgestürtzt, guter dienst und für mich als hsv fan gibt es da auch noch infos vom club
gruß aus hh
rudi