Solidarpakt: „Eine arme Stadt ist eine arme Stadt – egal ob in Ost oder West.“
Vor einigen Monaten habe ich in dem Beitrag Dresden schuldenfrei: Risiken nicht betrachtet? und vor allem im Beitrag Der Unterschied zwischen dem Solidaritätszuschlag und dem Solidarfonds Deutsche Einheit die Thematik des Solidarpaktes angesprochen. Dieser sorgt dafür, daß die Kommunen im Westen beim – sicherlich notwendigen – Wiederaufbau im Osten finanziell helfen.
Grundsätzlich ist das ja richtig, dennoch bin nicht nur ich der Meinung, daß die Bedürftigkeit nicht anhand einer Kompassnadel bestimmt werden kann. Dresden wird durch den Verkauf der mit Westunterstützung sanierten Gelder schuldenfrei, während die Städte im Westen vielfach Haushaltssicherungskonzepten unterliegen und notwendige Investitionen z.B. bei den Straßen und den öffentlichen Gebäuden (Schulen, Kindergärten usw.) nicht mehr vornehmen können. Freiwillige Leistungen, die vielleicht politisch gewollt sind (z.B. Förderung von Jugendarbeit und Familien) können nicht mehr finanziert werden. Es kann eben nicht heißen Von Dresden lernen, heißt siegen lernen, denn weiterhin von Fördermitteln aus verschuldeten Städten zu profitieren, während man selber schuldenfrei ist, ist für mich kein Sieg, sondern peinlich und dreist.
Daher freut es mich, was ich jetzt auf der Seite von Thomas Eiskirch, dem direkt gewählten SPD-Landtagsabgeordneten für Bochum gelesen habe:
„Der Solidarpakt Ost muss umgehend korrigiert werden, so dass die Zahlungen der Kommunen in Nordrhein-Westfalen schrittweise gesenkt werden. Bochum hat in den vergangenen zehn Jahren alleine 173 Millionen Euro in den Solidarpakt Ost eingezahlt; das werden wir angesichts der schwierigen finanziellen Situation unserer Stadt auf Dauer nicht mehr leisten können“, erklärte der Bochumer SPD-Landtagsabgeordnete. Daher habe die SPD-Fraktion heute einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht. Eiskirch fügt hinzu, dass die finanzielle Unterstützung aus diesem Pakt auch für die strukturschwachen Regionen im Westen geöffnet werden muss. Hilfe darf nicht mehr nach der Himmelsrichtung, sondern muss nach Bedürftigkeit verteilt werden.“
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Eiskirch betonte, dass die Hilfen des Bundes, die sogenannten Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen, künftig nach dem Prinzip ‚Bedürftigkeit statt Himmelsrichtung‘ verteilt werden müssten. „Bochum gehört zu einer der strukturschwachen Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit und unterproportionaler Finanzkraft, der nach unseren Vorstellungen künftig die notwendige Hilfe zur Gestaltung des Strukturwandels zusteht“, erklärte Eiskirch. „Eine arme Stadt ist eine arme Stadt – egal ob in Ost oder West.“
Hannelore Kraft, die SPD-Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag, hat zu dem Antrag eine Rede gehalten, deren Wortlaut man in dieser PDF-Datei findet. Das bemerkenswerte daran: Sie gibt eigene (SPD-)Fehler zu, denn die Beschlüsse zum Solidarpakt wurden auch mit SPD-Beteiligung damals so getroffen. Eine interessante PDF-Anlage mit offiziellen Zahlen aus dem Innenministerium NRW gibt es auch noch – dort erfährt man auf den Euro genau, wieviel die Städte in Nordrhein-Westfalen für den Solidarpakt Deutschland in den Jahren 1996 – 2005 ausgegeben haben: Olfen z.B. wäre ohne die 3.521.697 Euro Solidarbeitrag fast schuldenfrei und auch z.B. Bochum hätte 173.439.784 Euro mehr zur Verfügung.
Dabei sind das nur die Zahlen der letzten zehn Jahre, denn wenn man die Zahlen von 1991 an berechnet, dann wäre die Stadt Olfen – so hat es mir jedenfalls der Kämmerer bestätigt – komplett schuldenfrei und müßte nicht mehr mit Schulden und den damit verbundenen Zinsen auf Kosten der nachfolgenden Generationen leben.
[…] Bedürftige Städte sollten besonders unterstützt werden – und nicht noch andere bedürftige Städte selber unterstützen müssen. Dies ist beim Solidarpakt (damit ist nicht der Solidaritätszuschlag gemeint!) der Fall – hier finde ich, dass man nach Bedürftigkeit Fördermittel verteilen sollte und nicht nach Himmelsrichtung. Es kann nicht richtig sein, dass Städte in NRW Schulden aufnehmen müssen, um Städte in den östlichen Ländern, denen es teilweise schon deutlich besser geht, zu unterstützen. Eine arme Stadt ist eine arme Stadt – egal ob in Ost oder West. […]
[…] Einer der Gründe ist auch der Solidarpakt Ost, der dafür sorgt, dass Städte aus NRW den Aufbau Ost mit finanzieren. Gesamtgesellschaftlich gesehen eine wichtige und richtige Aufgabe, die jedoch in den letzten Jahren immer mehr die Situtionen vor Ort ignorierte: Während im Westen die Geberstädte Schulden machen mussten um den Solidarpakt zu bedienen gibt es im Osten teilweise Nehmerstädte, die schwarze Zahlen schreiben. Schon seit Jahren wird daher von nordrhein-westfälischen Politikern eine Reform gefordert, denn “Eine arme Stadt ist eine arme Stadt, egal ob in Ost oder West”. […]