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Jens Matheuszik — 12. März 2006, 13:14 Uhr

Dresden schuldenfrei – Risiken nicht betrachtet?


Vor kurzem wurde bekannt, dass das Konzept des Dresdener Oberbürgermeisters Ingolf Roßberg (FDP) aufgegangen ist und die städtische Wohnungsbaugesellschaft Dresden komplett an den privaten US-Investor Fortress verkauft wird (siehe u.a. die Berichte im Handelsblatt, Spiegel und der FAZ).

Mit dem Verkauf dieser städtischen Tochter wird Dresden auf einen Schlag schuldenfrei – an und für sich ja eine gute Sache. Doch dieser Verkauf birgt einiges an Risiken, so dass man darüber geteilter Meinung sein kann.

Bei den bissigen Liberalen bittet einer der Autoren dahingehend um Politikberatung und ohne mich großartig in der Materie auszukennen, kann ich da schon ein paar negative Punkte entdecken:

Probleme für die Mieter:
Ich will nicht mit „Heuschrecken“-Metaphern anfangen, aber grundsätzlich wollen diese privaten Investoren vor allem Rendite erzielen. Das wird u.a. wie folgt erreicht:

Für die Finanzinvestoren ist jeder Kauf ein Geschäft fast ohne Risiko: Für eine Immobilienfirma zum Preis von beispielsweise einer Milliarde Euro zahlt der Investor nur 30 Prozent aus dem Fonds, für die restlichen 700 Millionen Euro nimmt er Kredite auf. Diese werden aus den Mieteinnahmen getilgt. Solange die Rendite aus den Mieteinnahmen höher ist als die Kreditzinsen, so wie derzeit, streicht der Investor hier bereits einen kleinen Gewinn ein. Gesteigert wird der Profit durch die Aufteilung und den Weiterverkauf von Wohnungen an die Mieter. Am Ende der Fondslaufzeit verkauft der Investor die Restbestände und streicht den gesamten Kaufpreis ein. Bezahlt hat er nur 30 Prozent, kassiert aber 100 Prozent. Und der Staat bekommt keinen Cent Steuer, da der Investor von Anfang an in der Kreide stand.
Quelle: ZEIT-Artikel Wenn der Investor klingelt

Ansonsten werden die Wohnungen oftmals saniert, besser ausgestattet und ein höherer Mietzins wird dafür verlangt. Es gibt jedoch viele Fälle, wo bisherige Bewohner, die schon jahre- bzw. jahrzehntelang dort wohnen, sich diese höheren Mieten dann nicht leisten können. Um solche Bedenken zu zerstreuen werden oftmals freiwillige Vereinbarungen wie z.B. die Sozialcharta in Dresden geschlossen, in denen Sätze wie

„[…] Zusätzlich ist vorgesehen, dass sich der Erwerber für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, möglicherweise bis zu zehn Jahren, Beschränkungen bei Mieterhöhungen unterwirft.
Wie bei Wohnungsprivatisierungen in den letzten Jahren üblich, dürfen die Mieten für die zum Zeitpunkt der Privatisierung bestehenden Mietverträge im Durchschnitt für den Gesamtbestand pro Jahr nicht über einen bestimmten Prozentsatz (2 bis 3 Prozent) über dem Lebenshaltungskostenindex erhöht werden. […]“

stehen. Klingt an sich ja toll – aber man muß da auf das Kleingedruckte achten – bzw. auf das manuell von mir fettgedruckte. Bei einzelnen Wohnungen können die Kosten dann nämlich doch deutlicher steigen. Bei der GAGFAH, der Wohnungsbaugesellschaft die ehemals der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und damit der Deutschen Rentenversicherung (Bund) gehörte, gibt es nämlich auch so eine Klausel. Hierüber berichtet die taz wie folgt:

„[…] Die Sozialcharta, auf die sich die Stadt Dresden mit der Investorengruppe geeinigt hat, sei eine Mogelpackung, sagt der Direktor des Mieterbundes, Franz-Georg Rips. Die Charta soll etwa Luxussanierungen verbieten und Mieterhöhungen auf jährlich 3 Prozent plus Inflationsausgleich begrenzen. Doch die Tücke steckt im Detail: Die Mieterhöhungsbegrenzungen bezögen sich nämlich auf den Gesamtdurchschnitt aller Woba-Wohnungen und nicht auf die einzelnen Wohnungen, sagt Rips. Das heißt, einzelne Mieter dürften doch Erhöhungen bis zu den rechtlich erlaubten 20 Prozent erhalten. So machte es 2005 Gagfah in Stuttgart. Da Fortress auf Rendite angewiesen ist, müsse der Konzern die Mieten erhöhen und Wohnungen verkaufen. […]“

Probleme für die Stadt:
Immer mehr und mehr Tafelsilber zu verscheuern – meiner Meinung nach der falsche Weg. Eine Stadt hat auch gewisse soziale Verantwortung und kann z.B. durch Wohnungsgesellschaften es erreichen, dass auch den sozial Schwächeren ein akzeptabler Wohnraum zu vernünftigen Preisen angeboten werden kann. Dresden hat es jetzt natürlich erstmal gut – keine Schulden mehr. Die Frage ist, ob die Stadt diesen Stand halten wird oder ob jetzt nicht neue finanziell teure Begehrlichkeiten in der dortigen Politik geweckt werden, getreu dem Motto „wir haben es ja“.

Probleme für Deutschland:
Das klingt jetzt sehr staatstragend – und natürlich ist es auch ein Problem wenn das, was der oben zitierte Zeit-Artikel beschreibt, die Investoren keinen Cent Steuern zahlen müssen. Doch darum geht es mir jetzt nicht, es geht vielmehr um den sogenannten Solidarfonds Deutsche Einheit.

Hierbei handelt es sich um Zahlungen die die westdeutschen Gemeinden und Städte für den Aufbau Ost zahlen müssen. Diese Mittel sind für Investitionen in den fünf neuen Bundesländern vorgesehen. Das es im Westen jedoch auch schon lange nicht mehr so rosig ist, wie in der Vergangenheit dürfte bekannt sein. Es gibt inzwischen teilweise Städte und Gemeinden, die sich gegen diese Zwangsabgabe wehren. Gerade im Ruhrgebiet leiden viele Städte unter massiven Schulden und müssen dann noch teilweise Kredite aufnehmen um den Aufbau Ost zu finanzieren. So hat der Stadtrat in Datteln beschlossen die Gelder für den Osten nicht mehr zu zahlen. Ein FDP-Politiker aus Datteln kommentierte den gemeinsamen Ratsbeschluss von CDU, SPD, FDP, Grünen, DSP (Dattelner Stadt-Partei) wie folgt:

„Der Aufbau Ost darf nicht zum Abbau West führen.“

Wenn jetzt Städte wie Dresden aufgrund der massiven Aufbauhilfe aus dem Westen sich plötzlich finanziell gesunden komplett sanieren können (und auch noch einiges an Millionen Guthaben erhalten), dann kann ich die Wut vieler Kommunalpolitiker gerade hier im Ruhrgebiet verstehen. Während man hierzulande alles mögliche an Leistungen z.B. im Jugendhilfebereich streichen muss, teilweise Städte wie Waltrop schon einen „Sparkommissar“ der Bezirksregierung vorgesetzt bekommen – dann ist der Aufbau Ost und der damit verbundene Solidarpakt nicht wirklich solidarisch. Man kann schließlich keiner verschuldeten Stadt im Westen erklären, dass man noch weiterhin den Aufbau Ost auch in der schuldenfreien Stadt Dresden finanzieren muss.

Ich schließe mich dahingehend voll dem Kommentar der WAZ an:

„[…] Weststädte und Steuerzahler leisten jedes Jahr Abermillionen an Solidarbeiträgen für den Aufbau Ost, obwohl es im´ Westen an Kapital für Investitionen und selbst für dringendste Reparaturen in den Städten fehlt. Und dieser Transfer wird dann zu solchen Geschäften genutzt! Nein, das ist kein Anlass zum Ausspielen Ost gegen West. Aber für die Prüfung der Frage, ob bei der Ost-Förderung alles so bleiben darf, wie es ist.“

Aber vielleicht findet ja die Große Koalition in Berlin hier einen Weg – denn Solidarität ist ja schön und gut, aber die sollte nicht nach dem Gießkannenprinzip von Westen nach Osten gehen, sondern sich auf die Regionen beschränken, denen es nicht gut geht. Gerade Städte wie Leipzig und (vor allem jetzt) Dresden haben eine Finanzstruktur, von der eine Stadt wie Gelsenkirchen nur träumen kann.


7 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von Rayson @ 12. März 2006, 14:12 Uhr

    Meine alte Frage bleibt: Wer meint, dass es ein Problem ist, wenn Dresdem Wohnungseigentum veräußert, um Schulden loszuwerden, argumentiert implizit dafür, dass deutsche Kommunen Schulden aufnehmen sollten, um Wohnungen zu erwerben.

    Es sei denn, der Ausgangszustand spielte eine Rolle. Was aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigen wäre.


  2. (2) Kommentar von Christian @ 12. März 2006, 16:56 Uhr

    Was ist denn der Umkehrschluss?

    Die Stadt spart jedes Jahr 60 Millionen an Zinsen. Der Verkauf der Woba war im übrigen eine Auflage des Regierungpräsidium Dresden. Ansonsten wäre der Haushalt der Stadt nicht genehmigt worden.

    Im übrigen lassen sämtliche Kommentare und Artikel gerne außer acht das die Stadt bis 2026 ein Belegungsrecht für 8000 Wohnungen hat. Das ist gegenüber vor dem Verkauf keine Verschlechterung . Die Struktur der Woba läßt die sogenannten Luxussanierungen auch nur eingeschränkt zu. In einigen Bereichen möchtest Du noch nicht mal mit einem Rottweiler an deiner Seite spazieren gehen.

    Abschliessend möchte ich nochmal festhalten das man beim lesen deines Beitrages zur Auffassung gelangen könnte das sich Städte wie Dresden nur hinsetzen müssen und warten bis der „Westen“ irgendwas bezahlen tut. Die 741 Millionen Schulden sind zum absolut größten Teil durch die Mittel entstanden die Dresden aufbringen mußte um überhaupt an Fördermittel von Land, Bund, EU heranzubekommen. Ohne Eigenanteil bekommst Du da keinen Cent.

    Der Vergleich zwischen Dresden und Gelsenkirchen hingt m.E. auch gewaltig. Beide Städte haben eine völlig unterschiedliche Infra- und Bevölkerungsstruktur. Chemnitz bietet sich da als Vergleich eher an.

    Den Risiken des Verkaufes der Woba stehen erstklassige Chancen gegenüber.


  3. (3) Kommentar von Lord @ 13. März 2006, 05:58 Uhr

    Naja – nur weil du schreibst „aber das ist jetzt keine Aufrechnung“ ist es keine. Du hast aufgerechnet, und du weißt das du mit „Aufrechnen“ nur verlieren kannst.

    Wenn du deinen Kommunalpolitikern tatsächlich abnimmst, dass das Ruhrgebiet krankt weil das Geld in den Osten fließt statt in den Westen … naja, dann würde ich dir empfehlen bei den nächsten Wahlen jene Herren nicht nochmal zu wählen. Denn die Mär vom für den Weste verlorenen Geld ist allergrößter Humbug.

    Den Soli-Zuschlag gibts erstens mal für West UND Ost, zweitens hätte es ohne Wiedervereinigung keine Solizuschlag und damit auch keinen Zent fürs Ruhrgebiet mehr als jetzt gegeben, was drittens bedeutet das ein Verantwortlich der so die Probleme seiner Kommune begründet entweder keine Ahnung hat (im übrigen auch keine Ahnung vom Osten, nur so als Hinweis) oder seine Wähler glattweg verarscht.


  4. (4) Kommentar von Jens @ 13. März 2006, 19:48 Uhr

    @Rayson: Ich habe nichts dagegen, wenn eine Stadt mit eigenem Wohneigentum versucht den Immobilienmarkt vor Ort in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das das am besten schuldenfrei ablaufen sollte ist natürlich klar.

    @Christian: Es geht hier nicht um irgendwelche %-Förderanträge, wo man als Nutznießer der Fördermittel xx % selber investieren muss.

    @Lord: Das mit „keine Aufrechnung“ hat der WAZ-Kommentator geschrieben… aber ich hab mich dem ja angeschlossen. Ich möchte nicht Euro für Euro aufrechnen, ich möchte jedoch auf die Situation aufmerksam machen.

    Zum Rest schreibe ich gleich noch etwas extra, das ist nämlich etwas anders als Du es schilderst…


  5. (5) Trackback von Pottblog @ 14. März 2006, 00:45 Uhr

    Der Unterschied zwischen dem Solidaritätszuschlag und dem Solidarfonds Deutsche Einheit – am Beispiel Dresden

    In dem Beitrag Dresden schuldenfrei – Risiken nicht betrachtet? habe ich (in Reaktion auf diesen Beitrag) den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Dresden aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und eher als kritisch bewertet.
    Ich zi…


  6. (6) Trackback von Pottblog @ 3. April 2006, 06:00 Uhr

    TV-Tipp: Diskussion über den Solidarpakt Ost

    Gerade in der Tageszeitung einen interessanten TV-Tipp gefunden:
    Heute abend wird in der Sendung Dresdner Gespräch des MDR-Fernsehens das Thema Besser-Ossis und Jammer-Wessis – Macht der Osten den Westen platt? lauten.
    Hintergrund ist die Frage, ob…


  7. (7) Pingback von Morgen ist Tag der Dt. Einheit... - Seite 3 - Fanlager @ 3. Oktober 2007, 16:48 Uhr

    […] paar durchaus interessante Links zum Thema: Dresden schuldenfrei – Risiken nicht betrachtet? » Pottblog Weg mit dem Solidaritaetszuschlag! – WirtschaftsWoche Nachrichten Solidaritätszuschlag: DIW-Chef […]


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