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Jens Matheuszik — 3. März 2006, 18:23 Uhr

20 Zentimeter, nie im Leben kleiner Peter!


Verdi-StreikEigentlich müßte der Titel dieses Beitrages eher 18 Minuten, nie im Leben kleiner Hartmut! heißen, aber das würde

a) nicht so griffig klingen
und
b) habe ich mich kürzlich, während dieses Lied lief, über dieses Thema unterhalten.

A propos Thema – es geht hierbei um den Streik des öffentlichen Dienstes, bei dem die Gewerkschaft verdi für Arbeitsplätze und die bisherige Arbeitszeit kämpft. Auf der anderen Seite steht die sogenannte Tarifgemeinschaft der Länder mit ihrem Verhandlungsführer, den niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU).

Die Gewerkschaft verdi, die auf ihren Internet-Seiten detaillierter informiert, kämpft um die Beibehaltung der 38,5 Stundenwoche in den Kommunen und Ländern. Klingt natürlich in diesen Zeiten, in denen die private Wirtschaft fast schon vermessen – aber ich denke, hier sollte man mal dem Meinungskartell, welches leider in den Medien herrscht entscheidend entgegentreten.

Da ich weder als Angestellter in einer Kommune oder einem Land arbeite – und inzwischen (nominell) die 41 Stundenwoche habe; praktisch ist es deutlich mehr – bin ich ja fast schon neutral und nicht so befangen in dieser Angelegenheit.

Was mich bei dieser Diskussion am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass immer von „nur 18 Minuten Mehrarbeit pro Tag“ geredet wird – denn auch wenn 18 Minuten nach wenig klingt, so summiert sich das ganze doch auf ca. zwei Wochen im Jahr. Ich würde gerne alle Gegner dieses Streiks fragen, ob sie denn auch bereit wären mal eben 14 Tage weniger im Jahr frei zu haben. Dann gibts halt einen 2 Wochen-Urlaub weniger.

Schlimmer ist jedoch, dass jede Arbeitszeitverlängerung automatisch mehr Arbeitslosigkeit bedeutet. Im öffentlichen Dienst wird schließlich nach fixen Haushaltsplänen eingestellt, streng der Arbeitsbedarf in Stunden gemessen und mit einer genau definierten Anzahl von Planstellen erledigt. Durch eine Arbeitszeitverlängerung gibt es natürlich plötzlich mehr Arbeitsstunden, so dass insgesamt weniger Personen notwendig sind. Rechnerisch plötzlich überflüssige Stellen erhalten dann plötzlich einen sogenannten kw-Vermerk, wobei das dann kann wegfallen bedeutet. Wenn eine solche Stelle (z.B. aus Altersgründen) frei wird, dann wird sie nicht wieder besetzt. Eine Stelle weniger die neu besetzt werden kann…

Auf die Gesamtmenge der betroffenen Angestellten des öffentlichen Dienstes bedeuten diese ach so wenigen 18 Minuten dann mal eben 250.000 Stellen! Eine viertel Million Stellen weniger – kann das jemand in den Zeiten von 5 Millionen Arbeitslosen wirklich wollen?


10 Kommentare »

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  1. (1) Kommentar von 50hz @ 3. März 2006, 20:42 Uhr

    Energischer Zwischenruf:

    Ich denke schon, dass es ein himmelweiter Unterschied ist, ob man täglich 18 Minuten mehr arbeiten muss oder im Jahr auf zwei Wochen Urlaub verzichtet. Das ist eine typische Milchmädchen-Rechnung. Leute! Mail im ernst. 18 Minuten. Das ist genau nicht ganz eine S-Bahn später. Mehr nicht. Und wenn ihr euch bislang sputen musstet, habt ihr jetzt zwei Minuten mehr Luft.

    Wichtiger ist die Frage mit den Arbeitsplätzen. Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Nur wenn wir es schaffen, die Abgabenlast für alle zu senken, wird es in Deutschland neue und zukunftssichere Arbeitsplätze geben. Arbeistplatzabbau im öffentlichen Dienst ist also geradezu die Voraussetzung für neue Stellen.


  2. (2) Kommentar von Sr. .nin @ 3. März 2006, 23:06 Uhr

    Natürlich. Eine S-bahn später.

    Meine Kolleginnen, die schon mit einem 41 Stundenvertrag arbeiten (für das gleiche Geld wie ich, für die Hälfte von meinem Weihnachtsgeld, ohne Urlaubsgeld- das ist eine LohnKÜRZUNG) arbeiten ihre 18 Minuten mehr nicht am Anschluß an die übliche Schicht, sondern bekommen sie zusammengefasst als zusätzlichen Dienst in eines ihrer zwei freien Wochenenden geknallt.
    Auf einer Intensivstation im Drei-Schicht-Dienst zu arbeiten ist physisch wie psychisch konsumierend, und ein freier Tag nach einem Block von 12 Diensten ist NICHT ausreichend.
    Abgesehen von der fehlenden Anerkennung… es sollte möglich sein, in dem eigenen Job alt werden zu dürfen.
    „Die eine S-bahn später“ bedeutet auch, daß sich die Betreuungssituation auf den Stationen für Pflegepersonal UND Patienten spürbar verändern wird. Es ist jetzt schon so, daß auf vielen Stationen Stellen nicht neu besetzt wurden, deren Fehlen sich schmerzlich bemerkbar macht, und der resultierende Mißstand wird jetzt schon in vollem Bewußtsein der Verantwortlichen auf dem Rücken der verbliebenen Mitarbeiter verwaltet.
    Es ist, mal von der reinen Arbeitsbelastung abgesehen, kein schönes Gefühl, die Station beinah täglich mit dem Eindruck zu verlassen, daß man das Messer im Schwein hat stecken lassen, und daß das, worum es eigentlich geht in unserem Job, das Erste ist, was hinten über fällt, nämlich für die Patienten da zu sein. (Und ausgeruht und konzentriert zu sein, wenn man mit potenten Medikamenten hantiert, ist wirklich gar keine so schlechte Idee)
    Ich will, glaube ich, gar nicht wissen, welche Effekte weitere Einsparungen zeitigen werden.

    Und na klar lässt sich die Totschlagargumentkeule von den Lohnnebenkosten immer souverän schwingen, aber die Art, wie sich die Alterspyramide entwickelt und die Tatsache, daß Tod und Sterben aus den Häusern verschwunden ist und zur Angelegenheit der Krankenhäuser geworden ist, läßt es mir nicht weise erscheinen, an einem für die Menschen so zentralen Punkt, nämlich der Qualität der Versorgung, zu sparen bis es weh tut.


  3. (3) Kommentar von Jens @ 4. März 2006, 11:33 Uhr

    @50hz:
    Gegen eine Milchmädchen-Rechnung mit einer anderen Milchmädchen-Rechnung zu argumentieren ist schon irgendwie drollig.

    Es geht eben nicht um „nur 18 Minuten“ mehr oder eine S-Bahn später, sondern darum, dass das ganze zu einem deutlichen Arbeitsplatzabbau führt. Als bei uns (vom Streik nicht betroffen – wir haben den TVÖD) die Arbeitszeit um 30 bzw. 90 Minuten (38,5 auf 39 bzw. 40) erhöht wurde brachte das rechnerisch gleich wieder eine Menge an (angeblich) überbesetzten Stellen.
    Solche Stellen kann man dann nicht neu besetzen, wenn da jemand wegfällt (Rente, Kündigung, Beförderung, Tod).

    Die Mehrarbeit (z.B. durch neue Aufgaben) ist objektiv da, reagieren als Arbeitgeber kann man nicht bzw. wenn man dann (so wie ich) viele Ãœberstunden schiebt, bekommt man noch den Hinweis, dass man die mal abbauen sollte… bloß wann?

    Ich sag mal so: Bei uns ist das vielleicht noch relativ egal, dann warten die Leute halt mal ein bißchen länger auf ihre Sachen. Sollen die halt nicht auf den letzten Drücker kommen (Klassiker am Telefon: „In drei Tagen habe ich eine neue Bankverbindung, die alte gibt es nicht mehr. Können Sie das mal eben ändern?“). Irgendwann wird es abgearbeitet. Hat zwar nicht mehr viel mit dem so hehren und gerne propagierten Service-Gedanken zu tun, aber Service und Schnelligkeit ist halt eben nicht nur mit Floskeln zu erreichen, sondern muss auch vernünftig unterfüttert werden – z.B. mit Arbeitnehmern, die diesen Service übernehmen sollen.

    Wenn jedoch so sensible Bereiche wie Krankenhäuser davon betroffen sind, empfinde ich das sogar als sehr gefährlich!

    Das Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst eine Voraussetzung für die Schaffung von Stellen sei – das klingt ja besch….eidener als die Quadratur des Kreises. Wo waren denn dann die explosionsartig ansteigenden Arbeitsplatzzahlen in den letzten Jahren wo Hunderttausende/Millionen von Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut worden sind?

    Es ist natürlich immer sehr einfach über den öffentlichen Dienst zu schimpfen – aber wenn man als Gesetzgeber diverse Aufgaben für diesen vorsieht, dann muss man auch bereit sein dafür zu zahlen.

    Der Staat bzw. alle hier im Staat haben ja auch was davon – es ist ja nicht so, dass die Bediensteten im öffentlichen Dienst alle zu Hause einen Geldspeicher im Stile Dagobert Ducks haben und da jeden Cent hineinstopfen, denn erstens verdient die Masse im öffentlichen Dienst eh nicht so viel (abgesehen davon, dass man real seit Ende der 80’er Jahre wahrscheinlich noch nicht einmal einen Inflationsausgleich hatte) und zweitens wird das meiste Geld doch auch ausgegeben und investiert.


  4. (4) Kommentar von Jens @ 4. März 2006, 11:50 Uhr

    @nin:

    Wenn irgendein privates Unternehmen solche Lohnkürzungen durchziehen würde, dann würden schon gewisse Blätter mit sehr großen Buchstaben darauf aufmerksam machen. Es ist ja nicht so, dass die von Dir beschriebenen Kürzungen die einzigen wären. Das fängt ja schon bei den Teilzeitkräften an, die meistens aus familiären Gründen eben eine solche Teilzeitstelle haben, damit sie sich noch um die Familie mit Kind(ern) kümmern können. Die können halt eventuell mal nicht „eine S-Bahn später“ nehmen, weil dann das Kind, was man von der Kita abholt, alleine im Regen steht. Reduzieren die dann ihre Stunden auf das alte Maß – ja dann haben sie eine de facto Lohnkürzung von mehreren Prozent.

    Aber solange das „nur“ im öffentlichen Dienst geschieht ist das ja egal…

    Nur sobald es da mal zu irgendwelchen Mißständen kommt, die man klar mit Personalmangel begründen kann, dann jammert wieder alle Welt.


  5. (5) Kommentar von 50hz @ 6. März 2006, 09:51 Uhr

    @nin: Ãœber den Krankenhausbereich müssen wir sicher noch mal ganz gesondert diskutieren. Die 18 Minuten so umzusetzen, ist schlicht unmenschlich. Und zum Thema „Anerkennung“: Da bin ich ganz bei dir. Die Jobs im Gesundheitswesen sind chronisch unterbewertet. Das muss sich ändern.
    @jens: Spass muss sein ;-). Aber: Wer immer noch glaubt, wir könnten den Mangel an Arbeitsnachfrage durch immer mehr Jobs im öffentlichen Dienst lösen, ist auf dem Holzweg. Das versuchen wir jetzt seit fast 40 Jahren. Mit mäßigem Erfolg. Es ist Zeit für ein Umdenken.


  6. (6) Kommentar von Jens @ 8. März 2006, 21:53 Uhr

    @50hz:
    Ich würde ja nie sagen, dass man das Arbeitslosigkeitsproblem mit dem ÖD lösen soll. Aber man sollte den Arbeitsmarkt nicht unnötigerweise noch weiter belasten.


  7. (7) Trackback von Pottblog @ 3. April 2006, 05:06 Uhr

    Der Streik an den Unikliniken geht weiter

    Anlässlich des Parteitages der NRWSPD in Bochum demonstrierten auch verdi-Mitglieder vor dem Parteitag bzw. gaben ihre Meinung an die Delegierten weiter. So konnte ja die für Gesundheit zuständige Fachbereichsleiterin Sylvia Bühler in einem lauts…


  8. (8) Trackback von Pottblog @ 3. April 2006, 05:11 Uhr

    [LPT] Schrei (So Laut Du Kannst)

    Nein, ich meine nicht das aktuelle “Album” von Tokio Hotel. Aber Sylvia Bühler, vom Fachbereich Gesundheit der Gewerkschaft verdi hatte gerade einen sehr impulsiven Auftritt:
    Sie erklärte den Streik bei den Universitätskliniken und bat…


  9. (9) Trackback von Pottblog @ 10. April 2006, 05:12 Uhr

    Der Streik im öffentlichen Dienst – mal anders erklärt

    Das es beim Streik im öffentlichen Dienst eben nicht um 18 Minuten mehr am Tag geht, habe ich ja schon in dem verlinkten Artikel geschrieben.
    Seitens der Jusos Schleswig-Holstein hat man vor einiger Zeit eine verständlichere, kindgerechte Form der …


  10. (10) Kommentar von Mike @ 16. Juni 2006, 12:57 Uhr

    Hallo mein Name ist Mike und möchte bitte wissen wer das Lied singt von „Nie im Lebne kleiner Peter“!!!

    Bitte um Andwort!!!

    Mike

    meine e-mail: junkeysmoksweed@gmx.at


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