Offener Brief an die taz
Liebe taz!
Eigentlich bin ich ja kein Freund von offenen Briefen – diese haben nämlich oft die Eigenheit, dass Sie zwar medienwirksam verbreitet werden, aber zum Beispiel den eigentlichen Empfänger gar nicht wirklich erreichen und somit in Wirklichkeit gar nicht dem Diskurs, sondern einfach der öffentlichen und werbewirksamen Präsentation der eigenen Meinung dienen.
Das soll bei diesem Brief aber anders sein – deswegen wird der Text (und ein Link zu diesem Beitrag) auch gleich nach Veröffentlichung an die taz-Redaktion geschickt.
Worum es eigentlich geht? Es geht um das Thema taz und Blogs:
Für mich persönlich fing das eigentlich ganz gut an, denn aus einer simplen Anfrage wird gleich ein Artikel für die Titelseite der taz (zumindestens für den Regionalteil NRW). Hatte ich nicht mit gerechnet, fand ich aber dennoch sehr nett.
Da habe ich dann auch gerne für die taz mal mehr, mal weniger Werbung gemacht.
Dies ist der erste Streich…
Vor kurzem gab es dann den Artikel New Kids on the Blog von Solveig Wright in der taz – und ganz ehrlich:
Die (konstruktive) Kritik, die in diesem offenen Brief geäußert wurde, kann ich mehr als nachvollziehen. Ich hatte gehofft, dass auch Qualitätsangebote dort zu finden sind:
Wo ist z.B. der Verweis auf den Bembelkandidaten?
Wo wird erwähnt, dass die SPD erstmalig im Landtagswahlkampf (in NRW) ein gut besuchtes Blog etablierte und jetzt mit Notizblogg und Roten Blogs es Unterstützern leicht macht zu bloggen?
Wo ist der Verweis auf die CDUnion, wo engagierte Parteimitglieder das schaffen, was deren Generalsekretär einerseits fast schon verdammt, von der Fraktion andererseits begrüßt wird?
Wo findet man etwas zum FDP-Bürgerfonds, wo der Blog als Mittel der Spenden-Akquirierung dient?
Wo ist der Verweis zu den ewig grantelnden Statler and Waldorf?
Wo findet man Links zu den überparteilichen Angeboten wie z.B. Wahlblog, Wahlblog 05, Bundestagswahlblog und Lautgeben?
Diese Liste könnte man fast endlos fortführen, doch leider fand sich dazu in diesem Artikel nichts. Statt dessen wurde wohl primär nach „skurrilen, peinlichen oder auch nur langweiligen“ (Zitat) Blogs gesucht.
… und der zweite folgt sogleich!
Nur wenige Tage später erschien dann am Wochenende der Artikel Ich blogge, also bin ich von Dieter Grönling.
Abgesehen davon, dass das illustrierende Bild (ein Mann mit heruntergelassener Hose) meiner Meinung nach nicht wirklich passend ist, zeigt auch der Inhalt des Artikels deutliche Kritikwürdigkeit:
Relativ am Ende findet sich folgende Passage:
„Klar, die privaten können mit Profiblogs wie dem Bild-kritischen BILDblog oder dem Tsunami-Blog des ZDF nicht mithalten. Aber mit den drögen Blogs, die diverse Politiker zum Wahlkampf absondern und die meist ohnehin von Referenten gemacht werden, können sie es allemal aufnehmen.“
Das BILDblog ist natürlich ein Blog – dennoch fehlen ihm blogtypische Elemente wie Trackbacks und Kommentarfunktion. Und das das Tsunami-Blog des ZDF inzwischen eingestellt worden ist, scheint der Autor auch noch nicht mitbekommen zu haben.
Schon vorher kritisiert er allgemein die Belanglosigkeit der meisten Blogs im Internet. Klar mag es sein, dass ein Blog hierzulange noch nicht nobelpreisverdächtig oder als Anwärter auf den Pulitzer-Preis gilt. Nichtsdestotrotz kein Grund, diese mal eben stante pede als ein „Grundrauschen“ abzuqualifizieren. Dabei zwingt ihn niemand diese Blogs zu lesen, wenn sie ihm nicht gefallen.
Abzuqualifizieren ist eher der Artikel selbst – da ergeht sich der Autor in drei ganzen Absätzen über die „worst cases“ bei privaten Homepages und zieht dort dann zwischendurch das Fazit
Ein Zappelbildchen pro Seite ist ja ganz nett – aber auch genug.
Vielleicht sollte er das mal sich selber zu Herzen nehmen – auf seiner eigenen Homepage sind es jedenfalls schon mal zwei „Zappelbildchen“ und auch die Beschreibung
Nach dem Muster „Hallo, ich bin der Manni, und das sind meine Hobbys“ gestrickte Homepages gab es – und gibt es immer noch – massenhaft.
trifft auf seine eigene Homepage sehr gut zu. Muss man dennoch (auch wenn das auf einen selber als Autoren zutrifft – was er wahrscheinlich gar nicht bemerkt hat) so kritisch und negativ da herangehen? In Zeiten wo man sich darüber ärgert, dass kaum jemand noch ein Buch in die Hand nimmt, dürfte es doch geradezu ein positiver Quantensprung sein, wenn durch Blogs die Steigerungsform des Lesens – das Schreiben! – ihren Raum findet (wie in den Kommentaren zum Beitrag taz muss nicht sein angemerkt wird).
Abschließend kann ich mich grundsätzlich der zusätzlich zu diesem Brief geäußerten deutlichen Kritik in der deutschsprachigen Blogosphäre anschließen und hoffe, dass auch einmal ein ausgewogener Artikel zu Blogs in der taz auftaucht.
Mit freundlichem Glückauf,
Jens Matheuszik
Find ich gut. Vielleicht könntest du der taz auch noch mitteilen, dass es nicht DER, sondern DAS Weblog heißt!
Gruß,
Annabell
Die klassischen Medien, Printmedien wie TV, scheinen den Online-Wahlkampf zu verschlafen, weil sie die richtigen Webseiten nicht finden.
Das scheint Tagesschau, wie ich hier kritisiert habe, nicht anders zu gehen als der TAZ.
Ach Annabell, ob das nun das oder der Weblog heißt, ist doch völlig schnuppe.
Aber vielen Dank Jens für den Link zu dem Grönling seiner drögen Webseite. Ein echter Weggucker.
Gelesen und für gut befunden :O)
gut gebrüllt, löwe ! ;)
“ och bei all dem Hype, der um die neuen Webtechniken gemacht wird: Je mehr mitmachen, umso höher ist naturgemäß auch das Grundrauschen – also der prozentuale Anteil der völlig unnützen und belanglosen Beiträge und Blogs.“
damit hat der gute mann in dem artikel ja durchaus recht. es ist halt wie mit zeitungsartikeln…