Kanzleramt ist abgebrannt
Die ZDF-Serie Kanzleramt wird eingestellt. Dies berichtet jedenfalls die Frankfurter Allgemeine: Zwar wird die laufende Staffel wohl noch zu Ende gesendet, aber ursprünglich geplante weitere Staffeln werden nicht gedreht. Zwar wurde die Sendung von den Kritikern zum größten Teil deutlich gelobt – doch die Einschaltquoten sahen leider nicht so aus, wie es sich das ZDF erhofft hatte.
Mich wundert das ganze nicht:
Ich denke schon, dass eine politische Serie Erfolg haben kann – hey in den USA kommt West Wing sehr gut an, und ob jetzt die USA „politisierter“ als Deutschland sind, wage ich mal zu bezweifeln – aber die an und für sich gute Idee wurde meiner Meinung nach nicht konsequent durchgezogen bzw. durch unpassende Elemente verwässert:
Schauspieler
Klaus „Ich leb online…“ Behrendt mag ja ein guter Schauspieler für den Kumpel-Typ sein – aber er passt nicht als Bundeskanzler. Robert Atzorn (der die Rolle des Kanzleramtschef spielt) wäre hier meiner Meinung nach deutlich besser gewesen – aber so einfach tauschen ging ja nicht, oder könnte sich jemand Behrendt als Kanzleramtsminister vorstellen? Ich nicht.
Realismus 1
Ja, das ZDF ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt, ja es gibt Parteienproporz zu beachten, ja das ganze muß neutral sein – aber warum eigentlich? Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass dieser Bundeskanzler bzw. dessen Regierung dann doch eher mit der SPD als mit der CDU zu tun haben – und sei es auch nur weil positiv über Willy Brandt geredet wurde. Hätte man hier wirklich mit den richtigen Etiketten gespielt, wäre das ganze etwas unverkrampfter gewesen.
Realismus 2
Zwar kann ich mich nicht rühmen in die innersten Vorgänge des Kanzleramtes eingeweiht zu sein – aber das was man da in der ZDF-Variante gesehen hat, wirkte dann doch etwas unrealistisch. Vielleicht haben die Macher zu sehr an den US-Präsidenten gedacht, so präsidial wie dieses System dort geschildert wurde, aber wann hatten Fraktion (okay, die ein wenig durch „Schwester Furiosa“) und Opposition mal etwas zu sagen?
Aber auch der Regierungsstil kann – das hoffe ich einfach mal! – nicht wirklich so sein wie er in dieser Serie dargestellt wird, ich verweise alleine auf die eine Episode wo der Forschungsminister (aus zwar verständlichen Gründen) quasi „austickt“ und die eigene Regierung beschmutzt. Der hätte in der Wirklichkeit nach dem ersten Mal nicht noch weiter Gelegenheit dazu gehabt…
Der Pilotfilm
Der Pilotfilm einer Serie gehört zu den entscheidenden Folgen. In den USA entstehen manche Serien erst dann, wenn der Pilot erfolgreich ist. Bei der ersten Folge waren es noch 4,8 Millionen Zuschauer – zuletzt aber nur noch 1,6 Millionen. Das könnte sehr gut an dem Pilotfilm gelegen haben, der Zuschauer vergrault hat. Warum? Ganz einfach:
Wer eine politische Serie sehen will, der hat keine Lust auf einen „Bella Block“-Verschnitt. Toll dass die neue außenpolitische Beraterin des Bundeskanzlers (die übrigens in weiteren Folgen anscheinend so die Außenpolitik bestimmt, als ob der eigentliche Ressortminister beim Dauer-Jogging wäre) sich gut mit revolutionären südamerikanischen Splittergruppen auskennt. Aber muß sie dann in einer Art Action-Sequenz durch Berlin versuchen den Anführer (der gerade zufällig in Berlin weilt) selber zu stellen? Dafür hat man seine Leute! Genau wie für die Zeugenbefragungen… wobei es natürlich vom Finanzgedanken her sinnvoll ist, wenn die Leute aus dem Bundeskanzleramt die bösen Buben suchen, jagen, finden und auch gleich verhören. Spart der Polizei bzw. den eigentlich zuständigen Stellen sicherlich Geld.
Fazit
Gut gedacht ist leider nicht gut gemacht. Schade nur, dass dadurch wohl die Chancen für politische Serien im deutschen Fernsehen schlechter geworden sind. Aber es gibt ja West Wing auf DVD…
Am Rande erwähnt…
… sei noch die Tatsache, dass das ZDF zum Start der Serie im Internet ein virtuelles Kanzler-Spiel gestartet hat – und just natürlich ein Freund von mir dort einen der Hauptpreise (Reise nach Berlin) gewonnen hat… wenigstens einer hat was von der Serie gehabt… ;)
Die Serie hat zudem ihren Stil nicht gefunden: Krimi (Außenberaterin), Comedy (Kanzlersprüche) und Politdrama (Atzorn Auftritte).
Und, „the west wing“ hat mehr die „Theaterssituation“ mit den immer gleichen Sets (wenig Außenaufnahmen) besser genutzt – so wirkte das eine intim, intern, während das Kanzleramt genau das nicht war.
Es ist eigentlich sehr schade, dass die Sendung eingestellt wird. Ich habe mir bisher alle Folgen angesehen und war dem ganzen eigentlich nicht abgeneigt.
Ob nun Klaus J. Behrendt als Bundeskanzler so eine gute Auswahl war, möchte ich nicht kommentieren.
Ebenso die Rolle des Regierungssprecher. Herbert Knaup hat eigentlich eine gute Leistung erbracht aber ich bezweifel wirklich, ob ein Regierungssprecher bei jeder Konferenz anwesend ist. In der Serie ist dies sehr oft der Fall. Ich bezweifel ehrlich, dass Bela Anda an jeder Sitzung teilnehmen darf.
Sehr gut hat für mich Robert Atzhorn seine Rolle verkörpert. Die Rolle des Kanzlers hätte auch ihm nicht so gut zu Gesicht gestanden. Er ist besser als Mann für den Hintergrund geeignet.
Für mich persönlich war die erste Folge ein wenig enttäuschend. Sie war inhaltlich nicht schlüssig und plätscherte vor sich hin. Nach der 1. Folge habe auch ich überlegt, ob ich die Sendung weiterhin einschalten werden. Ich glaube so ging es vielen Zuschauer und viele werden sich anders entschieden haben als ich.
Fazit: Ich fand und finde die Sendung insgesamt sehenswert. Man erhält dadurch mal die Möglichkeit, zumindest einmal in ein fiktives Kanzleramt zu schauen.
Ich bin sehr enttäuscht, dass die Serie eingestellt wurde, weil es im deutschen Fernsehen sehr wenige anspruchsvolle Serien gibt, die zudem noch mit ausgezeichneten Schauspielern aufwarten kann.
Leider sind viele Zuschauer davon überfordert, weil sie primitive Unterhaltung (siehe Telenovelas) gewöhnt sind und sich diesem Niveau annähern. Somit hatte das >Kanzleramt